Wochen nach der Tat, als sich die Verbrecher noch der Freiheit erfreuten, führten Joh. Krantz und Phi. Kolb, wie einem Presbyterialprotokoll zu entnehmen ist, auf dem Christkindchesmarkt in Herborn ein ausschweifendes Leben. Sie schickten ihre eigenen Frauen heim und trieben sich mit anderen Breitscheider Weibern in Herborn herum, besoffen sich an Bier und Wein und schlugen sich dann auf dem Heimweg. Phil. Kolb schlug Feschen Frau so mit dem Stock, daß sie zusammenstürzte und "ein dick Maul" davontrug. Er blieb dann besoffen auf dem Amdorfer Berg liegen, so daß Joh. Krantz zurückgehen und ihn holen mußte. - Ein betrübendes Zeitbild! Wir sehen, daß es doch viel besser geworden ist. - Die schwere Strafe für die Verbrecher bei dem Postraub war wieder ganz zeitgemäß. Man bedenke, daß die Räuber niemand getötet hatten, sie sollen mit einer Ausnahme nur Stöcke mitgeführt und sich auch vorher vorgenommen haben, niemand umzubringen. Mancher Verführte mag auch unter ihnen gewesen sein, der nicht den Mut hatte, rechtzeitig zurückzutreten. Heute (1926) verfährt man menschlicher mit irrenden und irrgeleiteten Menschenkindern. In armer Kuhhirtenfamilie bei mangelhafter Erziehung aufgewachsen, erlag unser Joh. Krantz den verlockenden Versuchungen, auf mühelose Weise zu Reichtum zu gelangen. Alles verstehen, heißt nicht alles verzeihen, aber doch die rechte Einstellung zu den Dingen gewinnen und ein "gerecht Gericht" halten.
Von 1769-1778 war Joh. Justus Cunz als Pfarrer hier. (Nachfolger des Pfarrers Frankenfeld).) Er war der Sohn des Schulmeisters von Niederscheld. Nach einjährigem Hiersein starb seine junge Frau im Alter von 21 Jahren im Kindbett. Sie wurde bei zahlreicher Beteiligung der Einwohner hier beerdigt und liegt nahe am Kirchentor links vom Wege. Daneben ruht die Mutter des Pfarrers. Dieser Pfarrer hat (hier) ein Tagebuch geschrieben, das seine Nachkommen dem Archiv im Wilhelmsturm zu Dillenburg zugeeignet haben. Darin erzählt er, daß er als Vikar in Dillenburg auch teilgehabt habe an der Seelsorge der Gefangenen, welche 1767 hingerichtet wurden (siehe Postwagenraub). - Über seine Breitscheider Stelle schreibt er in dem Tagebuch: "Ich wurde nun nach Breitscheid berufen, eine bescheidene Stelle, aber ein großes Feld der Thätigkeit. Die Einwohner waren arm, dabei aber fast alle faul und unordentlich, die Lebensart eine grobe. Die angenehme Gegend und der weite Prospekt ist das einzige, so im Sommer einen Liebhaber der Natur und Freund des Landlebenes entzücket". - Der jetzt in Schierstein amtierende Pfarrer Cunz ist ein Nachkomme unseres Pfarrers, über lauter Pfarrer hin.
1768. Über die Dienste, die der Herrschaft in Dillenburg geleistet werden mussten, gibt eine Bittschrift der Medenbacher vom 12. März 1768 ein wenig Aufschluß: "Wir Ältesten der Gemeinde Medenbach Stellen vor, das bey vielen jahren her, wir in fürstlichen Dienstbahrkeiten eine Freyheit gehabt haben, als Brief-Tragen, Jachten gehen, Wie auch in die Herrschaftliche Schiefferkaut, und den auf dem Herrschaftlichen Hof = Felbach (!) Laub zu Hauen, welches uns aber künftig hier abgesaget worden ... Bitten deshalben, das wir doch bey unserer Vorjährigen Freyheit manutinieret (gehandhabt) werden mögen". (Pfarrhaus Breitscheid) -
1790 herrsche in Breitscheid die Gewohnheit, vor der Beerdigung 2-3 Maß Branntwein zu reichen. Es wurde dann bei 10 Gulden Strafe verboten. (Pfarrhaus)
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von Kornelia Pelz übersetzt
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