1933
1.Mai "Die Regierung der nationalen Revolution hat den 1. Mai zum Feiertag der nationalen Arbeit erhoben. Sie will damit zum Ausdruck bringen, daß die Verbundenheit des ganzen deutschen Volkes mit der nationalen Arbeit, ihren Schöpfern und Trägern, eine unlösliche und schicksalgegebene ist. Zum ersten Male wieder seit Jahrzehnten innerer Zerklüftung und parteipolitischer Zerissenheit erhebt sich über Zank und Hader der unsterbliche Geist deutschen Volkstumes, verklärt und geläutert durch den Segen der deutschen Arbeit.. Wo ehedem marxistische Haßgesänge ertönten, da werden wir uns nun zum Volk bekennen.
Wo früher der Geist eines öden Materialismus triumphierte, da wollen wir fußend auf das ewige Recht unseres Volkes auf Freiheit, Arbeit und Brot, in einem glühenden Idealismus die nationale Verbundenheit aller Stände, Stämme und Berufe zu einem einigen Deutschland vor unserem Volke und vor der ganzen Welt bekunden. Ehret die Arbeit und achtet den Arbeiter. Stirn und Faust sollen einen Bund schließen, der unlösbar ist. In gewaltigen nationalen Feiern wird die Reichsregierung mit dem Volke zusammen diesen Festtag begehen. Die ganze Nation wird aufgerufen, daran tätigen Anteil zu nehmen... Laßt an diesem Tage die Arbeit ruhen. Bekränzt eure Häuser ... mit frischem Grün und mit den Fahnen des Reichs. Das ganze Volk ehrt sich selbst, wenn es der Arbeit die Ehre gibt, die ihr gebührt. Deutsche aller Stände, Stämme und Berufe reicht euch die Hände! Geschlossen marschieren wir in die neue Zeit hinein! Es lebe unser Volk und unser Reich! (Minister Dr. Göbbels)
Gern folgte das Volk diesem Aufruf, alle taten mit, und niemand brauchte sich diesmal durch innere Not und Gewissensbedenken (wie etwa am 21.März um den "Geist von Potsdam" in der Festesfreude gestört zu fühlen. Denn wer möchte nicht auch der Arbeit die ihr gebührende Huldigung zuerkennen und das arbeitende Volk - nach Tolstoi *) in Wahrheit die Elite (Auslese, der wertvollste Teil) der Menschheit - einmal in den Mittelpunkt ehrender Feiern gestellt sehen?!
Wie ein großer Festtag nahte der 1.Mai bei uns heran. Tannengrün und Blüten wurden beschafft - "das Maach" war noch nicht heraus -, um die Häuser damit zu schmücken. Jede Familie, wenn sie nur irgend dazu in der Lage war, suchte eine Fahne zu erwerben, aber es galt bei der Hand zu sein und am Samstag, d. 29.April, war kein Fahnentuch mehr aufzutreiben. An diesem Tag geschah die Ausschmückung des Dorfes. Die Vorfreude leuchtet aus allen Augen, Menschen redeten sich an, die sonst gleichgültig aneinander vorbeigingen.
Es liegt im Wesen der Festfreude, daß sie das Gemeinschaftsgefühl weckt und stärkt und sie tut es umsomehr, je höher Sinn und Zweck des Festes stehen. Der einheitliche und verbindende Gedanke deutschen Volkstums und deutscher Arbeit soll am 1.Mai gefeiert werden! Alle Dorfgenossen sind Arbeiter entweder der Faust oder der Stirn, und indem jeder dieses Volks- und Vaterlandesfest feiert, feiert er sich mit.
Gegen Abend, als noch überall fleißige Hände das Fest vorbereiteten, zog eine fremde Wanderschar, Mädchen und Burschen, munter zu einem Hitlerlied daher schreitend, am Pfarrhaus vorbei dann an der Mühle, wo gerade unser Pfarrer am Mühlschuppen die Hochzeitsgesellschaft der Mühle (Bernhard Th.) fotografierte.
Bald senkte sich der Abendfrieden herab, und die Kirchenglocken läuteten zwei Feiertage ein.
* Seite vorher
Er läßt in dem Roman "Auferstehung" den Fürsten Nechljudow, als er im Wagen 3.Klasse unter den Arbeitern sitzt, ausrufen:
"Das ist sie, die wahre Elite!".
Der Ausspruch ist freilich nur unter einer gewissen Einschränkung richtig.
übersetzt i.A. Robert Petry
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