(Zur Volkskunde)
Das "Naujohr".
In Breitscheid gab es das sogenannte "Naujohr" noch in den 1870er Jahren. Es war ein größerer Weck, ein Hausgebäck aus Gerstenmehl, das auch von Männern geformt wurde. Es wurde gewürzt mit "Nahlchern" (Gewürznelken), hatte den Umfang eines flachen Schälchens und war verhältnismäßig dick (hoch). Der Bodenrand eines Schälchens wurde dem Gebäck im Teigzustande aufgedrückt, sodaß in der Mitte eine Erhöhung entstand, die von einem Ring begrenzt war. Wie uns die alten Leute versichern, schmeckte der "Naujohr" sehr gut. Es war ein Mittel zu neckischem Grüßetauschen am Neujahrstag, ein Geschenk an Freunde und Bekannte. Aber nur der hatte Anspruch auf ein "Naujohr", der zuerst grüßte mit den Worten: "Gemorje im e' (um ein) Naujohr"! Der Angeredete entgegnete dann: "Gemorje imme zwaa!" Aber er ging leer aus. Warum hatte er sich nicht auch beeilt, zuerst seinen Neujahrsgruß anzubringen! Wir Jungen übten in den 1880er Jahren und später fleißig Gruß und Gegengruß ums "Naujohr", aber wir verstanden unsere Worte nicht, es gab kein solches Gebäck mehr, und so ging mit der Sitte des Schenkens auch der Sinn des Grußes verloren. "Gemorje imme zwaa!" bedeutete: " ...um zwei" [Gebäcke]. Die jungen Burschen begrüßten mit den Worten: "Gemorje im n' Naujohr!" Die Hausgenossen, denen sie "`s naue Juhr" "angeschossen" hatten, und erhielten dann den Weck. (*)
Eine Neujahrsnacht in Breitscheid um 1900.
(Aus Philippis "Hirsekorn")
"Auch die Rauhbeinigkeit (= die männliche, weltlich gesinnte Jugend) beschloß, mir Anlaß zu geben, daß ich meinen pfarrherrlichen Schnabel an ihr wetzte. (Am Silvesterabend hatte Philippi eine "andachtsvolle" Predigt gehalten, von der er hochbefriedigt mit seinem Frauchen nach Hause ging). Ich konnte nicht umhin, zu denken, daß ich nach Wildendorn (= Breitscheid) geführt sei. Eine weite Einmütigkeit geleitete Frauchen und mich mit erdbefreitem Odem ins Pfarrhaus. Da tönte aus dem dunklen Hausflur eine bekannte Stimme: "Erschreckt nicht, ich bins!" Es war Frauchens Vater, der Professor mit dem Patriarchenbart und den Kinderaugen. Er wollte in unserm Dörflein einen besinnlichen Jahresanfang finden, und dem blöden Massenlärm in der Stadt entgehen, wo das neue Jahr angebrüllt wurde, als lasse es vor Schreck fallen, was die Leute wünschten.
- Bei uns stand die Stille im schlohweißen Kleid der Unschuld ums Haus..., als wir uns ahnungslos eine geruhige, gute Nacht wünschten. - Wir fuhren aber aus dem Schlaf empor und besorgten, es seinen plötzlich Räuber oder Kriegsaufruhr ins Dorf gebrochen. Die Wildendorner Rauhbeinigkeit krachte mit allem, was zum Spektakelmachen tauglich war. Bis Mitternacht hockten die Belzebuben im Wirtshaus und brachen dann aus wie ein Heerbann der Unterwelt. Ein ungeschriebenes Gesetz verlangte, daß das Neujahr tüchtig angeschossen wurde. Wo es am lautesten knallte, wohnten die Ehrenbürger des Dorfes, die am höchsten in der Volksgunst standen. Gleichzeitig wurde eine Schönheitskonkurrenz ausgeschossen. Diejenige Dorfschöne war preisgekrönt, vor deren Fenster die meisten Schüsse fielen. Des Wildendorner Pfarrers Beliebtheit erschütterte uns die ganze Nacht hindurch das Trommelfell. Nicht minder ruhestörend
*) Daß es 1731 in Medenbach Neujahrswecke gab zum Verschenken an Kinder pp., beweist eine Eintragung in den Presbyterialprotokollen. Eine Frau hatte "am Neujahrstag sich übel betragen und (hatte) ihr Kind den ihme... gegebenen Neujahrsweck wieder (zurück) bringen müssen".
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von Kornelia Pelz übersetzt
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