Fortsetzung von S. 201!
(Sektenwesen)
Neben der "Freien evangelischen Gemeinde" besteht in Breitscheid noch die der Darbysten, anfangs auch Baptisten genannt, deren Hauptmerkmal die Ablehnung der Kindertaufe war. Die Anfänge dieser Sekte in unserem Kirchspiel sind nicht genau festzustellen. In der Kirchen-Chronik findet man sie in den 1860er Jahren zuerst erwähnt. 1863 sind 2 Paare aus Medenbach in Herborn "ziviliter getraut worden". - 1864 heißt es: "In diesem Jahre hat das Sektenwesen einen bedeutenden Fortgang genommen, einmal durch die Einführung der Zivilehe für die Dissidenten (Andersgläubigen), dann aber besonders durch die Befreiung der Baptisten und Altlutherischen von der Kirchensteuer... Infolgedessen hat sich die Zahl der Baptisten in Medenbach derart vermehrt, daß gegenwärtig 13 Familien zu ihnen sich zählen." - "1865 erklärten Johs. Peter Mackel und seine Frau in Medenbach ihren Austritt aus der Kirche und ihren Übertritt zu den Baptisten". - Pfarrer Wolff 1866: "In Medenbach fand ich bei meinem Amtsantritt (1865) 29 Personen aus der Kirche ausgetreten. Sie nennen sich Baptisten, sind aber eine Art Darbysten". (So genannt nach dem Engländer Darby, der von 1800-1882 lebte. In Meyers Lexikon steht: Diese englische Sekte "harrt der Wiederkunft Christi, verwirft jedes kirchliche Amt". Der leibhaftigen Wiederkunft Christi wartet auch die "Freie evangelische Gemeinde".) - Kirchen-Chronik 1867: Es "entzogen sich in Breitscheid mehrere Personen der Kirche und den heiligen Sakramenten, ohne ausgetreten zu sein..., die nennen sich Darbysten". 1868: Joh. Hrch. Schmidt (Mells Heinrich jetzt Paulucks Haus) hält sich, ohne gerade seinen Austritt aus der Landesk. angezeigt zu haben, schon seit Jahren zu den Baptisten". (Hier also wieder diese Bezeichnung für die Darbysten, die auch hier immer ortsüblich gewesen ist.) - Die Austritte der Breitscheider Baptisten beziehungsweise Darbysten aus der Kirche erfolgten erst nach Inkrafttreten der Maigesetze in 1874. "Am 16. Januar trat der Häfner Joh. Hrch. Schmidt definitiv aufgrund der Maigesetze aus der evangelischen Landeskirche aus." Ihm folgte in der Mitte dieses Jahres Wilhelm Immel (der Schwiegervater von Karl Henn) nebst Frau und der ledige Albert Kolb (Kutschers Albert). - Besonders fanatisch zeigte sich Mells Heinrich. Überhaupt hat sich diese Sekte feindseliger der Kirche gegenüber verhalten als die andere Gemeinschaft, wenigstens in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. Von dem leidenschaftlichen Eifer des Hrch. Schmidt für seine Glaubensauffassung genügen folgende Vorgänge. Im Pfarrhaus las ich ein Schriftstück des Staatsanwalts aus der Zeit um 1867, als Nassau schon preußisch war. Dieses Schreiben hatte folgendes zum Inhalt. Mells Heinrich hatte dem Pfarrer Wolff "Order geschickt", wie man hier sagt, er habe ein Kalb bekommen, da gäbe es wieder etwas zu taufen. (Ich zitiere dies aus dem Gedächtnis.) Ferner hatte er sich geäußert, ob man ein Kind oder ein Stuhlbein taufe, das käme auf eins heraus. Der Pfarrer hatte den Schmidt deswegen verklagt. Es kam aber der Bescheid zurück, daß man keine Handhabe habe, gegen den Beklagten gerichtlich vorzugehen.
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von Kornelia Pelz übersetzt
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