|
(Seite 405)
Aufklärung dunkler Ausdrücke in der Breitscheider Mundart.
Christekraut, oder Blutkraut (Jesuwunderkraut) wird das Johanniskraut (Hartheu) genannt, weil beim Zerreiben der Kelch und Kronblätter aus den Öldrüsen ein rotfarbiger Saft zutage tritt. Kettchesblume
heißt der Löwenzahn, weil die Kinder von den hohlen Schäften Halsketten machen. Von dem milchi =
gen Saft der Pflanze heiß sie auch Säumelke.- Krohfuß (Hahnenfuß) soll Krähenfuß bedeuten, weil das Blatt die (dreizehige) Form eines Vogelfußes hat. Nalgesblume wird der Flieder genannt, weil die Blumenkrone nach unten nagelförmig verlängert ist. Von der Form eines Nagels haben auch die Ge =
würznelken den volkstümlichen Namen "Nalger" (Nägelchen). Unser hochdeutsches Wort Nelke kommt auch von "Nagel". Früher wurde der Umlaut von a durch e bezeichnet.
Der Name Rommel, für Dickwurz, ist eine Entstellung des Wortes "Runkel" (Runkelrübe).
Dieses soll verwandt sein mit "Ranken" und wie dieses das Große, Massige zum Ausdruck bringen;
unter einem Ranken Brot versteht man auch ein großes Stück. Für "Runkelrübe" steht in den Dillen=
burger Intelligenznachr. Von 1789 "Ranger". Auch der Name Dickwurz bedeutet die große Ausdeh=
nung der Knollen. Sommertürchen (nicht Frühlingstürchen, wie Philippi schreibt) werden die gelb=
ben Blumen des Huflattichs genannt, weil sie als erste Blumen des Feldes gleichsam wie eine
Türe ins Sommerhalbjahr führen.
Wolbeer (Heidelbeere) soll nich das Wort Waldbeere sein, wie Kehrein annahm. Neuere Sprach =
Forscher behaupten, dass es aus dem althochdeutschen mulberi =Maulbeere, die Frucht des Maul=
beerbaumes, entstanden ist. Die ausführliche wissenschaftliche Begründung dieser Deutung würde hier zu weit führen. Im südlichen Nassau, wo es Maulbeerbäume gibt, sagt man auch "Molber"
"Molbeer" für "Heidelbeere"; unsere Mundart soll dann die verwandten Anlaute M und W ver =
tauscht haben, und so soll "Wolbeer" (langes geschlossenes o entstanden sein).
Der französische Einschlag in unserer Volkssprache, der hauptsächlich aus der Franzosenzeit her =
rühren dürfte, kann im Rahmen unserer Aufgabe nur gestreift werden. Er ist mit der Zeit wieder zu=
rückgegangen, und manches franz. Wort, das um die letzte Jahrhundertwende noch gang und gäbe bei uns war, ist heute spurlos verschwunden. Es sind aber noch viele franz. Wörter gebräuchlich, sie fin =
den sich meist auch im Hochdeutschen, sind leicht als solche erkennbar, auch unentbehrlich und bei
gutem Willen zu verwenden. (So tritt z.B. der franz. Louis sehr häufig auf in unserer Heimat, für den schönen deutschen Namen Ludwig!) Schon schwieriger als Wörter französischen Ursprungs zu erken=
nen sind Ausdrücke wie die folgenden, die sich nur in der Mundart finden: verallemandejern,
veralimentieren, d.h. pfleglich beaufsichtigen; das Wort kommt vom französischen "alimenter", das im
weiteren Sinne "verpflegen, versorgen bedeutet (vergleiche auch Alimente). Ferner: o'trapejern,
wahrscheinlich von attraber = erwischen; affendejerlich, im Sinne von beschämend, schimpflich gebraucht, kommt wahrscheinlich von affront = Beschimpfung; invendejern, invitieren, von inviter =
einladen; proforsch hängt mit foree, Kraft zusammen und hat etwa die Bedeutung von selbstbewußt,
stolzen, kraftvollen Mutes, wie es zum Beispiel in folgendem Erguß zum Ausdruck kommt, den ich von meiner Jugendzeit her noch von einer streitlustigen Frau in Erinnerung habe: "Ich sei orm, ower
proforsch, ich lohße mr naut gefalln; etz gih'n ich standebee no'm Schiedsmann". (Das "standebee"
ist das lateinische stante pede = stehenden Fußes.)
"Verpflanz' auf deine Jugend die deutsche Treu und Tugend zugleich mit deutschem Wort!" (Uhland)
Gemeinde Chronik, Seite 405 von R.K. - Übertragen durch Hans Henn
|